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Großer Erfolg beim Europäischen Stillkongress in Wien

Mehr als 450 InteressentInnen aus ganz Europa kamen am Wochenende in Wien beim Europäischen Stillkongress zusammen, um neueste Erkenntnisse zu den Themen Stillen und Geburt zu erfahren. Einmal mehr wurde die Relevanz der Muttermilch als gelungener Start ins Leben eines Säuglings ins Zentrum gerückt. 

Zwischen 08. und 10. November war der FH Campus Wien Treffpunkt zwischen renommierten ExpertInnen sowie Hunderten TeilnehmerInnen aus dem Gesundheitswesen. Zum ersten Mal schlossen sich der VSLÖ (Verband der Still- und LaktationsberaterInnen Österreichs) und das EISL (Europäisches Institut für Stillen und Laktation) zusammen, um in Kooperation mit dem Studiengang der Hebammen des FH Campus Wien den ersten Europäischen Stillkongress in Wien auszurichten. 

Von „humanized birth-giving“ bis zu Väterabenden

Eines der vielen Highlights des Europäischen Stillkongresses war der Vortrag von Prim. Univ-Prof. DDr. Barbara Maier, Vorständin der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe des Wilhelminenspitals des KAV, die das Thema Geburt auch in einen philosophisch-psychologischen Kontext gestellt hat. Wir werden laut Maier in einen genetischen Pool, in eine Gefühls- und Erwartungswelt, in eine bestimmte Zeit und Gesellschaft sowie in Beziehungen hineingeboren, die wir nicht selbst gewählt haben. Schwangerschaft und Geburt sind wesentlich für die Entwicklung unseres (psycho-)somatischen Selbst, für unsere Beziehungs- und Bindungsfähigkeit. Die pränatale Zeit kann u.U. verschiedene epigenetischen Veränderungen mit sich bringen. Umso wichtiger ist bei Problemen in der Entwicklung laut Prof. Maier dann das Stillen, das sie als ein „Reset-Phänomen“ bezeichnet. 

Welchen Beitrag hier die Männer spielen können, erläuterte Prof. Dr. Harald Abele, Gynäkologe und Leiter des Mutter-Kind Zentrums des Universitätsklinikums Tübingen, der sich mit der Rolle der Männer bei der Geburt und beim Stillen beschäftigt. Im Zuge von Väterabenden werden Männer von Männern auf die Geburt vorbereitet – ganz ohne Beisein von Frauen. Wichtig sei hierbei laut Prof. Abele eine lockere Atmosphäre, um ihnen die Scheu zu nehmen, Fragen aller Art zu stellen.

Hautkontakt – Bonding – Stillerfolg

Intensiver Hautkontakt und Kontakt durch das Tragen eines Babys wirkt sich unmittelbar auf das Bonding und auf den Erfolg beim Stillen aus. Dazu referierte Dr. Henrik Norholt aus Dänemark, der seit 2001 die Effekte des Babytragens studiert. Im Zuge eines von ihm initiierten Pilotprojektes zeigte er auf, wie bereits mittels Gesprächen in der Schwangerschaft, also der pränatalen Phase, die Weichen für eine stabile Bindung gestellt werden. Dies beeinflusst später das Stillen und auch die weitere Gesundheit von Mutter und Kind. 

Laut der in Deutschland veröffentlichten KiGGS-Studie (Wave 2) wollen 90% der Mütter stillen und 87% beginnen damit auch. Bereits nach 4 Monaten stillen nur noch 40 % der Mütter und auch Stillen in der Öffentlichkeit geht jedoch trotz allem zurück, da mit jenem Thema immer noch Vorurteile, Unverständnis und jede Menge Ammenmärchen verbunden sind. „Damit Stillen von Anfang an gelingt, brauchen Frauen Unterstützung, Empathie, Ermutigung und Bestärkung von uns allen, die wir in der Stillförderung tätig sind“, sagt Gabriele Nindl, Präsidentin des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation. „Die Basics hierfür sind‚ bald stillen, richtig stillen und häufig stillen und eine individuelle Betreuung von Mutter und Kind, da jede/-er etwas Anderes benötigt.“

Prof. Dr. Bodo Melnik, Dermatologe und Allergologe aus Osnabrück, bezeichnete Muttermilch als ein Geburtsrecht und zeigte die eindeutige Überlegenheit der Muttermilch gegenüber Formula. Muttermilch ist ein epigenetisches Programmierungssystem für den Säugling, sie beeinflusst metabolische und immunologische Vorgänge und hat einen günstigen Einfluss auf die Reifung des Darms und des Gehirns.

Aufholbedarf in Österreich

Einen deutlichen Aufholbedarf gibt es bei der WHO-Initiative „Baby-friendly Hospital“ in Österreich, die seit 1996 besteht und seit 2010 als Sektion des Österreichischen Netzwerks Gesundheitsfördernder Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen, ONGKG, existiert. Das Bundesministerium für Gesundheit förderte zwischen 2011 und 2013 zwar den Ausbau von Baby-friendly Hospitals, trotz allem existieren derzeit nur 14 diesbezüglich zertifizierte geburtshilfliche Abteilungen in Österreich, und für das kommende Jahr wird sogar ein Rückgang erwartet. 

„Hier gibt es zwar noch eine Menge zu tun, doch insgesamt sind wir auf einem guten Weg. Das zeigte sich im Zuge des Europäischen Stillkongresses durch den ausgebuchten Vortragssaal an internationalen TeilnehmerInnen und die zahlreichen positiven Erlebnisberichte aus der Praxis. Wir alle werden auch weiterhin Aufklärungsarbeit zum Thema Stillen betreiben und – werdenden – Eltern die nötige Unterstützung auf jenem Gebiet ermöglichen“, fasst DSA Anita Schoberlechner, Präsidentin des VSLÖ den Erfolg des Kongresses zusammen.

Foto: Karl Grabherr