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Essen will gelernt sein




Frau Gätjen, der Titel Ihres Buches vermittelt den Eindruck, dass ein Kind essen „lernen“ kann. Muss ein Kind das Essen tatsächlich erlernen?

Ja, muss es. Es geht ja darum, das richtige Essen kennen zu lernen. Die Geschmacksprägung läuft schon im Mutterleib ab, weil das Fruchtwasser sehr viel Geschmack aufnimmt. Da lernen die Kinder schon diverse Geschmäcker kennen. Werden sie gestillt, lernen sie durch die Muttermilch wieder neue Geschmacksrichtungen kennen.

Und wenn sie dann auch noch die Beikost bekommen, die selbst hergestellt wird, also wenn das im Prinzip zu dem passt, was vorher stattfand, lernen sie ganz langsam das Essen. Sprechen wir vom Saugen, also von der Milchnahrung, und betrachten diesen technischen Prozess, an der Brust oder an der Flasche, ist das reflektorisch, läuft also über die Reflexe.

Aber in dem Moment, in dem ein Kind vom Löffel essen soll, muss es das eben wirklich lernen. Um den Löffel wirklich annehmen zu können, müssen diese primären Reflexe ganz langsam abgelöst werden. Das läuft jetzt im Prinzip über zwei Ebenen: Einmal, wie erwähnt, über die Geschmacksprägung, da lerne ich auch essen, aber ich muss es auch von der Technik richtig lernen.



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Das heißt, wenn das Kind die Flasche ablehnt, hat das nicht unbedingt damit zu tun, dass ihm das, was drin ist, nicht schmeckt?

Nein, denn beim Saugen aus der Brust und beim Saugen aus der Flasche handelt es sich noch einmal um unterschiedliche Verfahren. Das Löffeln lernen kommt hinzu, ebenso wie der Schritt, sich mit den Fingern selbst etwas zu nehmen und das im Mund zu zerkleinern, dann das Aufpieksen mit der Gabel – diese Hand-Mund-Koordination muss erlernt werden.

Das Schwierigste ist dann am Schluss, selber zu löffeln. Beim Löffeln muss ich dann zusätzlich auch noch um 45 Grad meine Hand drehen, damit ich den Löffel in den Mund kriege und zwar so, dass er mir nicht nach oben und unten wegfällt. Also, das ist schon ein wirklicher Lernprozess.

Kann denn die werdende Mutter den Geschmack ihres Kindes beeinflussen und – wenn ja – wie?

Indem sie sich wirklich von Anfang an gut ernährt. Wenn ich mich in meiner Schwangerschaft ausgewogen, frisch und gut ernähre, das in der Stillzeit beibehalte und das gleiche Essen im Prinzip in der Beikost anbiete, dann kann ich mein Kind sozusagen von der Schwangerschaft an auf den Familientisch vorbereiten.


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Das heißt, mit solchen Kinder gibt es dann nicht diese Probleme wie „Ich esse keinen Spinat oder ich esse kein Gemüse“, sondern die kennen das dann und essen es auch?!

Auf der einen Seite kann ich das jetzt so mit Ja beantworten, aber es gibt natürlich auch noch unterschiedliche, evolutionsgeschichtlich festgelegte Phasen, wenn die Kinder etwa anderthalb und zwei und drei sind. Die Frage ist dann, wie sie wirklich dem Lebensmittel gegenüber stehen und auf der anderen Seite spielen in dieser Zeit Dinge wie Trotz oder Erziehung eine große Rolle.

Aber prinzipiell kann man sagen, je selbstverständlicher man damit umgeht, je klarer die Linie, umso besser klappt das auch. Und es gibt ja diese ganz einfache Regel: Wir als Eltern bestimmen, was, wann, wo es zu essen gibt und wie, die Kinder bestimmen, ob sie essen und wie viel sie essen.

Und für meine Begriffe ist das Allerwichtigste, wenn es künftig darum geht, dass Kinder eben eines Tages auch gut essen, dass wir Mahlzeiten, also die Zeiten einhalten. Und das ist etwas, was häufig nicht getan wird, denn die Kinder bekommen Daueressen und haben dadurch nie wirklich Hunger.

Und wer nicht wirklich hungrig ist, der kann es sich leisten, beim Mittagessen, beim Abendessen, und meistens ist es das Mittagessen, einfach zu sagen „Ich esse jetzt nicht“. Weil die wissen, dass sie in einer Stunde wieder ein Joghurt oder einen Keks bekommen. Tatsache ist: Hunger macht mutig, das ist einfach so und dann essen die auch. Das Problem, dass Kinder nicht essen, ist neu, das gab es vor dreißig Jahren in dem Sinne nicht.

Es isst ja auch heute kaum mehr einer innerhalb der Familie noch gemeinsam an einem Tisch...

Genau. 


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Es wird immer zwischendurch gegessen. Die Kinder auf der Straße haben grundsätzlich irgendetwas in der Hand, meistens etwas Süßes, was den Zähnen nicht wirklich gut tut...

Die Zähne sind das eine Problem, der Insulinspiegel ist das andere Problem. Dieses ständige Auf und Ab mit Essen führt auch noch dazu, dass Kinder nie die Hände zum Spielen frei haben, was man auch nicht unterschätzen darf. Und das ist meines Erachtens das größte Problem.

Eine Sache, die ich in meinen Kursen immer erwähne und auch in meinen Büchern zu Sprache bringe: „Das wichtigste ist: Jede Mahlzeit hat einen Anfang und ein Ende“. Es müssen zweieinhalb Stunden zwischen den Mahlzeiten liegen. Ein großes Problem ist die uns angeborene Sorge. Wir machen uns furchtbare Sorgen, unser Kind könnte verhungern und dann laufen wir hinterher.

Es gibt einen großen Knick, der oftmals nicht so wahrgenommen wird: Im ersten Jahr geht es bei Kindern um die direkte Bedürfnisbefriedigung durch die Eltern, weil ihre Großhirnrinde noch nicht ausgebildet ist, was bedeutet, dass Kinder vom Verstand her vieles noch nicht erfassen und umsetzen können.

Das heißt, wenn ein Kind Hunger hat, kriegt es sofort zu essen. Wenn ein Kind auf den Arm will, kommt es sofort auf den Arm. Aber ab dem ersten Lebensjahr, geht es darum, dass wir unseren Kindern langsam beibringen, einen Bedürfnisaufschub auszuhalten. Und dass wir die Bedürfnisse nicht sofort befriedigen, das nennt man Sozialisation und das ist das Wichtigste, um im Leben teamfähig zu werden.

Heute geht man häufig den Weg des geringsten Widerstandes. Zuhause zu sagen „Nein, es gibt jetzt keinen Keks, in einer Stunde gibt es Mittagessen“, das muss man aushalten können, denn das ist Erziehung. Ab einem Jahr erziehen wir, unter einem Jahr ist es Quatsch zu erziehen. Aber ab einem Jahr fangen wir damit an. Und da ist es ganz ganz wichtig, dass wir das unseren Kindern beibringen. Die müssen lernen können, zu warten und das können wir mit dem Essen für alle Bereiche so gut beibringen, wenn da wirklich mal so ein bisschen die Augen aufgemacht werden. Und das ist das, was ich meine. Natürlich haben wir es in der Hand, ob unsere Kinder gut essen oder nicht, indem wir es ihnen vorleben.

Sie würden Eltern also den Tipp geben, gemeinsame Mahlzeiten zu bestimmten Zeiten einzuhalten, ab einem Jahr anzuerziehen, dass bestimmte Essenzeiten eingehalten werden, man gemeinsam isst, nicht ständig isst usw.?

Genau, denn wie ich schon sagte, jede Mahlzeit hat einen Anfang und ein Ende. Das ist wichtig, denn wir müssen unserem Körper auch Zeit für die Verdauungsleistung geben. Wenn wir ihm keine Zeit geben und ihm immer wieder etwas anbieten, tut ihm das auch nicht gut.




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Foto: Evgeny Atamanenko/Shutterstock


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Essen will gelernt sein


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Essen will gelernt sein

Das Sättigungsgefühl setzt ja auch erst nach 15 Minuten ein...

Ja, das dauert seine Zeit. Aber heute wird immer ein bisschen gegessen. Das heißt, Kinder sind im Endeffekt nie richtig hungrig, nie richtig satt und was da hinzukommt, ist – sie sind nie richtig müde und nie richtig wach. Weil müde und wach sein immer ganz eng verbunden ist mit satt und hungrig, gerade bei den kleinen Kindern, die dann so quengelig werden. Dann kriegen sie noch einen Keks...

Es hat etwas mit der eigenen Disziplin zu tun. Das ist ganz klar so und ist ein Erziehungsthema.

Es gibt sehr viele Eltern, die unsicher sind, was sie ihrem Baby anbieten sollen, wenn es nicht mehr nur gestillt wird oder nur die Flasche bekommt. Gibt es irgendetwas, worauf Eltern achten sollten, wenn sie ihrem Baby zum ersten Mal Beikost anbieten?

Es gibt ja relativ einfache Pläne, was es gibt. Neueste Studien besagen „Probieren dürfen sie alles“. Wenn ich sage „alles“, meine ich natürlich die so genannten guten und gesunden Lebensmittel. Kinder sollten nicht die Cola probieren und nicht die Schokolade. Sie können Gemüse und Obst und Käse und Brot und all diese Dinge probieren. Trotzdem gibt es natürlich dieses Beikostschema, dass es losgeht mit erst Gemüse, Kartoffeln, Fleisch, Fisch und dann mit Obst und dann mit Milchbrei. Kinder müssen sich mit allem auseinandersetzen, denn wir können sie nicht vor Schadstoffen schützen. Das konnten wir auch nicht, als sie noch im Bauch waren, weil die Plazenta da keine Schadstoffgrenze oder Schadstoffsperre hat. Wenn es um Pestizide geht, kann ich, so lange ich mich an saisonales und regionales Obst und Gemüse halte, was frisch ist, eigentlich nicht viel falsch machen. Wenn es sich dann auch noch um Bioprodukte handelt, ist es natürlich besonders schmackhaft, z.B. eine gegarte Möhre oder ein pürierter Apfel. Etwas problematischer sind die tierischen Produkte, gerade Fleisch. Wenn Eltern anfangen, ihren Kindern konventionell gehaltenes Fleisch zu geben, ist das immer wesentlich stärker belastet also beispielsweise Gemüse aus der Region, das man konventionell einkauft.

Die Alternative wäre ein Babygläschen...

Das ist und bleibt eine Konserve. Ich halte es immer für eine Farce, wenn es darum geht, dass vier Monate schadstofffrei, pestizidfrei und „oberbio“ sein sollten, um danach dann alles zu geben. Dann kann ich das auch in der Zeit machen. Und wenn ich mich eigentlich für artgerechte Tierhaltung und kontrolliert biologischen Anbau für meine Familie nicht interessiere, dann kann ich auch von Anfang an das andere Essen machen. Wenn sie sagen „Das ist optimal“, dann ist es etwas Anderes. Aber das hat etwas mit einer Lebenseinstellung zu tun. Das hat etwas damit zu tun, wie wichtig mir Ernährung für meine Familie ist. Da muss man dann hinschauen. Viele sagen, das ist mir nicht wichtig und dann kann man es mit frischen Produkten auch mal so hinkriegen. Das ist für mich in der Beratung das Wichtigste, dass sie wenigstens frisch einkaufen. Man sollte beim Einkauf darauf achten, was aus der Gegend kommt und möglichst frisch einkaufen. In Deutschland wird für ausgewogene Ernährung kein Geld ausgegeben, fürs Essengehen allerdings schon...

Wie sollten Eltern, die vielleicht unsicher sind, ihr Baby am besten an Beikost gewöhnen?

Den Löffelprozess sollte man Kindern sehr langsam beibringen, am besten zwischen zwei Mahlzeiten – zu einem Zeitpunkt, wo das Kind nicht hungrig ist. Wenn es total hungrig ist und man konfrontiert es mit dem Löffel, weiß es nicht, wie es damit umgehen soll. Beim Löffeln lernen handelt es sich um einen Lernprozess, der voraussetzt, dass sich die primären Reflexe zurückbilden. Oftmals wird das Ausprusten oder das Ausstoßen des Gemüsebreis interpretiert als „Mein Kind mag das nicht“. Tatsächlich ist es häufig so, dass die Technik noch nicht vollendet ist. Um etwas zu erlernen, brauche ich Übung, denn lernen heißt ja üben und immer wieder ausprobieren. Es ist von der Entwicklung und vom Lernen her abhängig.